1911 begann der Bau einer Bahnstrecke, die von Neuss im Ruhrgebiet kommend über Rommerskirchen und Liblar (heute Erftstadt) führen und bei Rech in die Ahrstrecke münden sollte. Wie viele Bahnstrecken, die zu der Zeit im Rheinland und der Eifel abseits bewohnter Gebiete entstanden, so hatte auch diese vor allem eine strategische Bedeutung: von Beginn an zweigleisig geplant und ausgeführt sollte sie als Alternative zur Strecke am Rhein das Rheinland mit dem Saarland verbinden. Zum Ende des 1. Weltkrieges waren die Arbeiten bereits weit fortgeschritten: Die Tunnel waren fertig und auch die Gleise bereits größtenteils verlegt. Dann untersagte Frankreich 1923 den Weiterbau so dass die Strecke eine Bauruine wurde. Während die Streckenabschnitte zwischen Neuss und Erftstadt tatsächlich in Betrieb waren und teilweise auch noch sind, fuhr im südlichen Abschnitt nie ein Zug. Dieser südliche Abschnitt war zugleich der anspruchsvollste: 100 Höhenmeter mussten beim Abstieg zur Ahrtalbahn überwunden werden. Hierzu wurden ein Viadukt (das Adenbachtalviadukt) und fünf Tunnel erstellt. Deren Spuren sind bis heute in den Weinhängen des Ahrtals zu finden.
Zunächst ein Überblick über den Streckenverlauf. Die „Unvollendete“ ist hellgelb dargestellt. Von Ringen kommend biegt sie in einem Rechtsbogen in das Ahrtal ein, überquert über einen Viadukt das Adenbachtal und fällt stetig weiter ab, bis sie nach fünf Tunneln bei Rech die Ahrtalbahn erreicht.
In Ringen sollte noch eine eingleisige Strecke nach Bad Bodendorf abzweigen. Weitere strategische Bahnbauten damals waren noch die Remagener Rheinbrücke und der daran anschließende Tunnel durch die Erpeler Ley.
In den Weinhängen oberhalb von Bad Neuenahr biegt die Trasse der Unvollendeten ins Ahrtal ein.
Weiter geht’s entlang des Weins. Hinten im Bild folgte die Trasse nicht der Rechtskurve des Weges, es ging geradeaus ins Gebüsch.
Hinter dem Gebüsch verbirgt sich der Brückenkopf des Adenbachtalviaduktes.
Wie Schwurfinger erheben sich die Pfeiler des Viadukts in die Luft. Heute sind sie ein begehrter Ort für Kletterer:innen. Auch wenn die Strecke zweigleisig geplant war, sollte wohl zunächst nur ein Gleis realisiert werden. Für das zweite Gleis gibt es nur halbe Pfeiler. Der Ort im Hintergrund ist Ahrweiler.
Von der gegenüberliegenden Hangseite nochmal der Blick zurück auf den Viadukt.
Unmittelbar nach dem Viadukt folgt der erste Tunnel: der Silberbergtunnel. Wie fast alle Tunnel der „Unvollendeten“ hat er zwar nie Züge gesehen, dafür aber eine wechselhafte Geschichte hinter sich.
Wurde Mitte der 1930er zunächst eine Champignonzucht im Tunnel errichtet, wurde er gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zur „Stadt im Berg“ , in der bis zu 2.500 Menschen Schutz vor den Angriffen der Alliierten suchten. Daran erinnert eine Gedenkstätte im Tunnelmund. (Mehr dazu auf Wikipedia)
Nicht mehr vorhanden ist das andere Portal des Silberbergtunnels.
Vom gleichen Standort in die andere Richtung blickend befindet sich auf der Trasse heute ein Parkplatz (wofür wird gleich erzählt).
Am Ende des jetzigen Parkplatzes findet sich noch diese Unterführung im Bahndamm.
Auch das Nordportal des Kuxbergtunnels ist nicht mehr vorhanden. An seiner Stelle (bzw. eigentlich einige Meter davor) findet sich heute dieser Stahlbeton-Kubus. Im Kuxberg- sowie dem nachfolgenden Trotzenbergtunnel wurde zwischen 1960 und 1972 der Regierungsbunker errichtet. 1997 wurde er aufgegeben und mittlerweile ist ein Teil des Bunkers als Dokumentationsstätte der Öffentlichkeit zugänglich.
Die Recherchen zu diesem Regierungsbunker führten übrigens dazu, dass aus dem Journalisten Michael Preute der Autor Jacques Berndorf wurde, man könnte also sagen: hier ist der Geburtsort der Eifelkrimis.
Folgerichtig ist auch das andere Portal des Kuxbergtunnels zubetoniert worden. Wir befinden uns nun oberhalb des Weilers Marienthal. Die Straße im Vordergrund war zum Zeitpunkt der Aufnahme (auf den Tag genau ein Jahr nach der verheerenden Flut) nagelneu und wurde wohl zur Erschließung der in Containern untergebrachten Kita im Rücken des Fotografen erstellt.
Entlang der Trasse zwischen Kuxberg- und Trotzenbergtunnel findet sich eine weitere Gedenkstätte. Diesmal für das Außenlager Rebstock des Konzentrationslagers Buchenwald, welches sich hier im Herbst 1944 befand. Geschützt vor den Blicken der Alliierten sollten die Häftlinge in Zwangsarbeit an der Fertigung der V2 mitwirken.
Zurück zur Unvollendeten: am Nordportal des Trotzenbergtunnels erwartet uns wieder da nun schon gewohnte grün des atombombensicheren Vorbaus. Hier wurde dieser mit einem Bild aus der Zeit des Baus der Bahnstrecke versehen.
Besonders eindrücklich ist der Bahndamm der „Unvollendeten“ in Dernau. Hier mit Stützmauer und Überführung.
Auch am Südende des Trotzenbergtunnels findet sich wieder ein grüner Vorbau statt des Portals.
Die bereits gezeigte Überführung nochmal von der anderen Seite.
Nachdem seit dem Adenbachtalviadukt Tunnel auf Tunnel folgte, verläuft die Trasse nun mal wieder etwas länger unter freiem Himmel.
Der letzte erhaltene Tunnel ist der Sonderbergtunnel – hier das Nordportal.
Und auch noch das Südportal. Heute befindet sich in dem Tunnel eine Werkstatt.
Blick vom Südportal des Sonderbergtunnels Richtung Rech. Hier dürfte sich mal eine Brücke befunden haben. Die Trasse setzt sich in der Bildmitte auf dem Weg zwischen den Weinbergen fort.
Das letzte Relikt der „Unvollendeten“: vor dem Herrenbergtunnel wurde eine Bahnbrücke für eine Straße recycelt. Während die Brücke selbst neu ist, dürfte die Stützwand rechts original sein.
Weiter entlang der Strecke befand sich früher noch der Herrenbergtunnel, dessen beide Portale gesprengt wurden. Bei Rech erkenn man noch an der Trasse der Ahrtalbahn, wo sich der Abzweig der Unvollendeten befand, allerdings war es aufgrund der Folgen des Hochwassers nicht möglich, dorthin zu gelangen.




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